Küssen

Küssen 1.

Nur für Jungen! Das stumme Spiel der Lippen. Auch die Unerfahrenen und die Schüchternen brauchen nicht zu verzweifeln. Unsere Zeitschrift hilft ihnen mit einer Schule der Kußarten. Jede schenkt den Liebenden neue und andere Wonnen.

Unzählige Gedichte sind dem Kuß gewidmet. Eines der schönsten stammt von Franz Grillparzer.

Du hast jetzt alles über den Kuß gelernt, und dein Verständnis für die Bewunderung dieser Königskrone der Liebe ist sicherlich groß genug, um sie zu teilen. Dazu gehört jedoch nicht nur das »Gewußt wie«, sondern auch das »Gewußt wo«. Dieses »Gewußt wo« erfährst du im nächsten Heft. Tschüß.

Küssen 2.

Aus einer erweiterten Kußschule (Küssen 1) mit Dezimalnumeration:

0.00
bis
4.99
Die bereits durchgenommenen Salon- und Anfängerküsse
5.00
Der Stirnprothesenkuß
5.10
Der Wimpernzupfkuß
5.20
Der Nasenlöcherkuß (unerkältet)
5.21
(erkältet)
5.40
Der Damenbartkuß (flachsblond)
5.48
(maulwurfbrünett)
5.49
(schwarz)
5.55
Der Damenvollbartkuß
5.92
Der Doppelkinnkuß
5.93
Der Dreifachkinnkuß
5.94
Der Vierfachkinnkuß
6.00
Der Rauchfangkehrerkuß
6.10
Der Drillbohrerkuß
6.20
Der Ferdinandkuß
6.70
Der Zwiebelkuß
6.80
Der Senfkuß (Estragon)
6.81
(Kremser)
6.93
Der Blattlauskuß
7.00
Der Achselhöhlenkuß (desodoriert)
7.01
(naturfrisch)
7.10
Der Armreifenknackkuß
7.39
Der Büstenhaltersuchkuß
7.54
Der Miedersprengkuß (Größe 4)
7.55
(5)
8.00
Der Schwimmhäutekuß
8.50
bis
8.59
Die Strumpfküsse
8.98
Der Oberschenkelkuß (straffes Fleisch)
8.99
(schlabbriges Fleisch)
9.30
Der Gesäßspaltenkuß
9.32
(mit Jasminparfum)
9.33
(Hagebuttenparfum)
9.40
Der Känguruhkuß
9.57
Der Strumpfbandgürtelkuß (besonnen)
9.58
(unbesonnen)
9.59
Der Keuschheitsgürtelkuß
9.68
Der Vorkuß zu 9.69
9.69
bis
9.96
Küsse, die lt. §§ 169—196 des kaiserl. salischen Hofkußerlasses v. 1. 4. 1069 und §§ 269-296 der Neuen Bundeskußverordnung (NBKV) der Staatsanwaltschaft angezeigt werden müssen
9.97
Das Anknabbern
9.98
Die stückweise (partielle) Auffressung
9.99
Die vollständige (totale) Auffressung

Küssen 3.

Aus einem Kesselchen wird Fettmasse geschöpft, seitlich die Zahnradübersetzung ist mit erstarrtem rotem Schaum bekleckst. Ein Schmelzmeister und eine olivbeschürzte Arbeitermatrone stehen dabei.

Oder: Auf einem Acker liegt die abgebrochene Kuppe eines Landmädchenlippenstiftes (Kaufhaus Agrex).

Diese beiden Episoden aus de.n Leben von Lippenstiftmaterie sind für 82% (nämlich den nicht-assoziierenden Teil) der geschlechtsreifen Bevölkerung unerotisch, obwohl das Substrat von sehr vielen eindringlichen Küssen hier zu einem — zwar unmenschlich dichten — Massekern geballt ist. Erst die Verdünnung — auf unternehmungslustigen Lippen, einem Filtermundstück, einem Sektglasrand — belebt das plumpe Material, veranmutigt oder dämonisiert den schmutzenden Handelsartikel.

Küssen 4.

Nach dem Frühjahrsfest, das verheerend ausging, ertappten sich sowohl Egon als auch Mira (Kurzform von Semiramis) gelegentlich dabei, durch Rollübungen ihre nun einsamen Zungen im eigenen Mund zu Fremdkörpern werden zu lassen und tote Freuden dadurch aufzugespenstern.

Küssen 5.

In richtiger Erkenntnis der physikalischen Weisheit von der Wirkung großer Oberflächen sagt der Vierzehnjährige, der natürlich Ralph heißt, auf alle Neckereien seiner Verwandten betreffend das Küssen von Mädchen: »Küssen interessiert mich nicht. Ich möcht ein ganzes Mädchen an mich pressen.« Inga, der er Mathematik nachschiebt, probt das Küssen einmal mit ihm durch, Familienküsse nachahmend, und kommt zu dem gleichen Langweil-Erlebnis wie Ralph. Dennoch schenkt ihr Ralph das nächste Mal einen kleinen billigen Lippenstift und wird schwach in den Knien, als Inga ihn erstmals ansetzt.

Küssen 6.

F. Reimer, Sanitätsfibel, Fall 703: Verletzungen durch Küssen einer Mistgabel.