Beispiel einer Wein-Verwendung.
A)
Ein Ensemble:
1)
Schweinsgesichtiger Hobbysänger, schwarzer Kitzelhalb kreis überm Mundloch, rote (Speck-)Kugeln in den Wan gen, starrende runde Schlachtschußaugen, Schweineschmalz auch im Singen.
2)
Die uneheliche Urenkelin der Wirtin, ein mageres rundköpfiges Kleinkind mit schütteren abstehenden Löckchen.
3)
Der Verbitterte (»Ich hab in mein Leben noch niemand braucht. Alles hab ich mir selber gmacht. Wie ich verwundet war in Rußland, hab ich mich auch selber gschreckt.«)
4)
Der Reiche. Er bestellt eine Flasche, balanciert sie auf dem Kopf, zottelt so durch den Raum und stellt sie plötzlich fremden Gästen auf den Tisch.
5)
Ein Mann mit Rollstuhlfrau. Sie zittertattert und starrt einen Blumenstrauß an, den sie in Händen zittertattert. Der Mann zecht mit seinen Freunden, singt, den Hobby sänger ablösend, mit viel Schmalzherz und Tremolo »Maderl, magst net?« und »So ein Tag, so wunderschön wie heute«.
6)
Sonstige Besoffene.
B)
Lieder des Schweinskopfes:
1)
... Und i hab ihr die Augerln zuadruckt
und hab die Tränerln verschluckt ...
2)
Heute war die Polizei bei mir,
leider nur im Draum ...
(Polizei? Wird im Ohr nachträglich berichtigt: Oide Zeit.)
3)
Hätt mas net, so tät mas net,
und weil mas ham, drum steck mas zsamm.
(S Geld meint er!, beruhigt der Mann am Rollstuhl laut zwinkernd die Leute.)
4)
Und da hat die kleine Blumenfrau
einen Strauß von Blumen, ameisblau(?) ...
5)
Zwei Blümerln stehn am Wiesenrand
schon lange beieinand
(Weiterer Inhalt: nur ab und zu trifft sie ein Sonnenstrahl, aber man muß selbstverständlich damit zufrieden sein,)
und kommt der Herbst ins Land,
verblühns auch miteinand.
(Diese betrüblichen Daten werden vom Schmalzsänger freudig wie die beste Nachricht ausgesungen.)
C)
Stimme des Volkes: Sing noch was, vom Herrngott noch was !
(Feuer
Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs —
Blaise Pascal.)
D)
Weitere Symptome:
1)
Ich hab heut keine Stimm. — Paß auf: Dann gurgel mit Reißnageln.
Solch Abgebrauchtes wird von der Runde bewiehert, als würde es erstmals verwendet. Je bekannter, desto besser, wie in den Wiener Konzertsälen.
Der Sinn der »lustigen« Anremplung ist nicht, durch Originaleinfälle zu unterhalten, sondern eine vertraute Lachtaste zu drücken.
2)
Nahe an 1) steht die Erfahrung, daß auch komische Talente unter den Besoffenen den geheiligten Wortlaut des Stimmungsliedes selten antasten.
Eine Parodie muß selbst schon wieder abgedroschen sein (wie die Schillers Glocken unserer Großväter), um aufs Repertoire zu kommen.
3)
Zum Schmalzgesang gehören mehr oder weniger integrie- rend: Kritiklosigkeit; Glaube an die Zulänglichkeit der Attrappe: unverstandene Übernahme der Kunst des Zerhackens, unverstandene angeäffte Gesten, verlogene Betonungen, erschüttertes Geschrei, Tremoli, schrift deutsche und gedehnte Einsprengsel, »sinnige«, »wissende« Ausleuchtungen; Glaube, etwas gesagt zu haben; Selbst zufriedenheit.
E)
Therapie:
Selbst verblöden.