Tätowieren

Tätowieren.

Ich hatte Gelegenheit, bei Bellini die Lanzettchen in Aktion zu sehen. Eine mutige, etwas extravagante Assistentin hatte sich den Interessenten — ein paar Kosmetikern beiderlei Geschlechtes, zwei, drei Chemiekaufleuten und einem Gerichtsarzt — zur Verfügung gestellt. Sie lag auf einer Pritsche, Rücken nach oben, in rotem Bikini, war ganz hübsch braun und wurde von einem Spezialisten lokalanästhesiert und entblutet. Dann traten die Messerchen in Funktion: zehn Grundfarben, aus denen Japaner angeblich bis zu sechshundert unterscheidbare Töne tätowieren können, und sechs Schnittformen: am interessantesten die drehbaren, mit denen man unter der Haut eine Art farbiges Knöpfchen aufwuchern lassen konnte, und die drittelrunden, aus deren Verletzungen man sowohl die sehr beliebten Blumengirlanden als auch Bilder kunstvoller Frisuren aufbaut. Die Messerchen steckte man in ein handliches Werkzeug mit Pistolengriff und mannigfachen Einstellmarken. Das GroBartige an ihnen war, daß sie nicht mit Farbe gespeist werden mußten, sondern selbst Farbe waren, nämlich buntes Metall, das bei zerstörender Berührung mit der Haut winzige Mengen eines unvergänglich und prächtig färbenden Reagens abgab.

Während die Assistentin unbekümmert mit dem etwas schwitzenden Fachmann plauderte (sie wollte wissen, wo er die Wendigkeit im Leutverschandeln erlangt hatte), bedeckte sich unter wechselnd hohem Motorgebrumm ihr Rücken allmählich mit einem LSD-Traum von verschlungenen Menschen, Katzen, Heuschrecken und blühenden Kakteen. »Das Purpur ist besonders schön«, lobte der Fachmann, »im auffallenden Licht wird es zu einem warmen Grün, und der ganze Rücken webt und lebt«. Ob sie ein Monogramm ans Rückenende wolle; japanische Teenager zieren sich meist mit dem Namen des Freundes; »ja, aber nur mein eigenes; sicher ist sicher«; sie lachte. »Na, bin ich jetzt eine Schönheit?«, sagte sie zu uns. Sie war aufgestanden und drehte sich in der neuerworbenen Pracht, die tatsächlich wie ein durchstürmter Dschungel durcheinanderwogte und hier und dort die Farben wechselte. »Sagen Sie, Fräulein, tut Ihnen der Rücken schon gar nicht weh?« »Ich habe keinen Augenblick etwas gespürt, nicht während und nicht nachher.« »Ein leichter Wundschmerz wird sich noch einstellen«, sagte der Gerichtsarzt, »im Moment wirkt noch die Anästhesie.«

In der ersten Woche verkaufte ich zweihundert Garnituren Tattoofix nach Japan. McCrown startet jetzt eine Kampagne für den skandinavischen Markt. Bevor es dort und in London nicht Fuß gefaßt hat, hat es gar keinen Sinn, Deutschland und Österreich damit zu attackieren.