Bunte Stühle

Bunte Stühle 1.

Auf bunten Stühlen sitzende Menschen werden bunt, wie auf Farbrastern gesiebte. Dieses fade braungekleidete braunhaarige, braunblickende Mädchen wird auf blauem Stuhl das gänzlich blaue Mädchen, das jeder wünscht. Das bläßliche Kind auf rotem Sessel wird zum Abenteuer eines roten Kindes. Was brauchen wir da noch Grün und Gelb? Aber zu allem Überfluß setzt sich ein grämlicher Pensionist auf gelben Draht, und schon bekommt er ein gelbes Schicksal, van Gogh wird es malen, und der leere grüne Sessel beschämt nun endgültig das weniggrüne Gras.

Bunte Stühle 2.

Wenn Sie Drahtstühle nachschlagen wollen, suchen Sie, bitte, wo anders. Hier ist die Rede von Holzstühlen. Erinnern Sie sich an die Freude des Bunten, aus Ihrem Leben oder Artikeln, die Sie schon nachgeschlagen haben. Bedenken Sie die Freude, die es dem ersten Menschen bereitete, wenn er sich nicht vor grünen, braunen, khaki oder gelben Stühlen und Bänken sah, sondern vor blauen oder roten. Laubsägefreuden, Märchenbuchfreuden, Buntlebkuchenfreuden wurden wach. Nichtmehr Blumen allein, auch Holzlack durfte bunt sein, Versprechen einer Welt, die immer bunter werden würde. Und heute im Zeitalter der Poly-Harze und Mini-Kleidchen hat sich dieses Versprechen erfüllt.

Bunte Stühle 3.

Bunte Drahtstühle, Drahtbänke. Freundliche Welt auf bunten Telephondrähten, aus denen sie in den Zentralen schwarze, rote und blaue Pudel mit weißen, gelben und lila Beißkörben und mausen, nilgrünen und orange Schwänzen fertigen.

Befreiung der Welt aus dem Zwang der grünen, braunen und wespennestfarbenen Bänke, zunehmende Durchbuntung des Gesichtskreises.

Freilich gehn immernoch düsterfarbene Moden reihum, aber unaufhaltsam wird erstmal die Buntwalze der totalen Visualmöglichkeit unsern Planeten überrollen, ehe nach Ausverschwendung der Kohlen und Öle die farbarme SilicoLetztzeit anbricht.

Bunte Stühle 4.

Bunte Metallsitze. Sitzen auf farbigen Tasten. Wer weiß, was jede bedeutet. Was dein buntsitzendes Gesäß alles für Signale auslöst.

Bunte Stühle 5.

Jeder Mensch hat eine Lieblingsfarbe. Meine ist:

Lindgrün

Grellrot

Leuchtendblau

Milchblau

Stiefmütterchenviolett

Kunstharzorange

Zitroneneisweiß

usw.

Gehen wir zumindest das Spektrum durch:

Und eine Stichprobe aus den sogenannten Totfarben:

In all diesen Farben streicht meine Stühle.

Bunte Stühle 6.

Wollen wir dem Verschönerungsverein mit seinem Farbenfimmel ein Schnippchen schlagen? Ja, sagte der Zwölfjährige: wir fahren Kahn, ersaufen in bunten Farbsprudeln, liegen dann als kreuz und quer verfärbte Wasserleichen an der Uferpromenade, bumm-das-wird-lustig!

Bunte Stühle 7.

Man fühle sich in die Düsternis alter Hubertusmäntel, Gemälde, alten Reisigs, alter Zollinspektoren, alter Brautschicksale und trete unvermittelt, wie durch eine Düse, in die Buntgegenwart. Hier huldige man dem Entspannungs- und Trinkgenuß, lasse sich zB in die gehmüden Ohren ein buntes Zischgetränk blasen. Zwar ist Cola heute noch braun, aber es wird eines bunten Tages auch grellblau, mohnrot und drachengrün in drei übereinanderschwimmenden Schichten geliefert werden.

Bunte Stühle 8.

Man sage sich: So rot wie der Mohn, in den ich keine Europameister- und keine Kinderfäuste geballt, sondern nur traurige Belämmertenblicke geworfen habe, weil eine dünngemütige Sylvi nicht die rare Mytilla Mitil war, und wie stark rotblühte er an der weggelegten fahlrostroten Autoachse, und die Zeit würde bis zu meinem Lebensende zuendevergehen; so rot kanns kein Freiberuflicher treffen und so blau wie die genaugemessene Dickschicht Wassers im Hydrographenpraktikum und so blau wie die Barockdeckenzuckerbrühe, so blau wie die Erde, die erst vom Mond aus schön wird. Und so grün wie das Kupfersalz, das ich in Butter mischte, um mich mit einem farbfrohen Biß in dicken Fettbelag aus der Welt zu schaffen, aber da kam Myra Metelli, und die irrste Etappe der Menschheitsgeschichte begann, gelb wie die Küken etcetc.

Bunte Stühle 9.

Zero Zobiak, der Bub, ging im Kurort, wo seine Familie sich krankbadete, er aber keine Schwimmgelegenheit fand, nicht eher heim, als daß er alle Farben der Stühle abgesessen hatte. Eine ungeahnte Affinität verband ihn hierbei, ihm nur als Lackliebe merklich, mit Myra Metelli.

Bunte Stühle 10.

Die einzigen Maler der Welt waren die Fauvisten, sagte Caro Coenluir. Und einige Tachisten, sagte sein minderjähriger Adept. Caro gab ihm dafür eine demokratische Ohrfeige, eine solche also, die der Adept, wenn er seinerseits einmal im Recht sein sollte, Caro zurückzahlen durfte. Die Fauvisten haben, ergänzte Caro Coenluir (mild und gar nicht mehr strafend), die ganze Welt in den Farben dieser bunten Stühle zu malen begonnen. Aber sie sind nicht weit gekommen, entgegnete der Adept schüchtern; leider, fügte er eifrig, um eine zweite demokratische Ohrfeige abzuwehren, hinzu.